1945 publizierte Marcel Duchamp in der amerikanischen Zeitschrift View ein photographisches Selbstportrait, das ihn der Bildunterschrift zufolge "at the Age of 85" abbildete. In Wirklichkeit war er damals erst 58 Jahre alt. Bisher war über die Entstehungsumstände dieser Inkunabel der "inszenierten Photographie" nichts bekannt. In dem Buch wird erstmals ein jüngst entdecktes Skript Friedrich Kieslers veröffentlicht, in dem dieser in allen Einzelheiten beschreibt, wie er seinem Freund Marcel Duchamp dabei assistiert hat, sich vor der Kamera des New Yorker Photographen Percy Rainford als greisenhafter Künstler-Philosoph zu stilisieren. Der bekannte Duchamp-Experte Herbert Molderings interpretiert Duchamps Selbstportrait als neuartigen, konzeptuellen Umgang mit der Photographie. Der Photoapparat wird als "Zeitmaschine" benutzt, jedoch nicht, um, wie allgemein üblich, einen Moment der Gegenwart festzuhalten, sondern um in die Zukunft zu blicken.