Gary Kuehn
(Deutsche Ausgabe)
1966, als Kuehn erstmals die Werkgruppe der »Melt Pieces« in der legendären Bianchini Galerie in New York ausstellte, notierte er in seinem Skizzenbuch: »Butter in der Sonne. Was könnte fataler sein?« Diese kurze Überlegung benennt eines seiner Grundprinzipien: das Prozesshafte.
Kuehn rebellierte mit seinem Frühwerk gegen die Autorität der rigiden stabilen Form, wie sie die damals dominierende Minimal Art repräsentierte: Die idealen Quader scheinen wie Eiswürfel oder Butter ins Schmelzen geraten zu sein. Physikalische Prozesse, oftmals verbunden mit äußerer Krafteinwirkung, transformieren intakte geometrische Formen, wobei Kuehn mit unterschiedlichen Materialien (Teer, Fiberglas, Latex, Metall, Holz) und einer unglaublichen Breite an Gestaltungsmöglichkeiten experimentiert. Verformungen und Veränderungen werden, bei unangetasteter Grundform, sichtbar und zeitigen ein narratives wie metaphorisches Moment. Hauptfaktor ist dabei die Spannung der Gegensätze – Stärke und Schwäche, Starrheit und Flexibilität, Härte und Weichheit, fester und fließender Zustand prallen aufeinander und werfen eines der Grundthemen menschlicher Existenz auf: die Frage von Begrenzung und Freiheit. Im Jahr 2000 notiert Gary Kuehn, dass sein Werk »irgendwo zwischen Sex und Geometrie« liege.
Das Buch, das in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden ist, erlaubt einen Einblick in das vielfältige bildhauerische, malerische und zeichnerische Werk aus fünf Jahrzehnten, mit einem Schwerpunkt auf den 1960er Jahren. Ein Leitgedanke von Buch und Ausstellung ist die enge Verknüpfung von Malerei und Skulptur in Kuehns Werk. Neben kenntnisreichen Begleittexten ist es vor allem die reich bebilderte sowie Interviews und Künstlertexte beinhaltende Ausstellungschronologie, die dieses Buch unverzichtbar machen.