Martin Eberle – Hi Schatz!
Die Fotografien des Buches »Hi Schatz!« von Martin Eberle sind zwischen 1997 und 2009 entstanden. Sie dokumentieren Berlin genauso wie die Stadt damals – jenseits aller offiziellen Projektionen – tatsächlich war: unfertig, provisorisch, kaputt, übriggeblieben, frei, fantastisch. Vor allem funktioniert der öffentliche und halböffentliche Raum der Stadt in dieser Zeit auch als Träger informeller Kommunikation – Zettel, die irgendjemand irgendwo hinhängt. Ein Liebesbrief, der verloren geht. Flyer, die weitergegeben werden. Jemand sprüht etwas an eine Wand. Die alltägliche und kaum mehr bewusst wahrgenommene Oberfläche der Stadt wird zur Folie privatester Minibotschaften, eigenwilliger Designlösungen oder nackten Irrsinns. Vieles davon ist ohne Insiderwissen, sei es durch Kunstverstand oder Milieukenntnis, nicht zu entschlüsseln. Deutlich wird jedoch immer eine ungezähmte Gestaltungskraft, die sich die Stadtlandschaft nimmt und ihr eine eigene Interpretation verpasst. Nischen und Brachflächen werden besetzt, verändert und für die eigene Nachricht oder einen Witz genutzt.
Die Fotografien dieser Aneignungen lassen das Berlin dieser Jahre nochmal auferstehen, sie zeigen die Großstadt persönlich, schmutzig, verletzlich, emotional, die vielen Nischen und verlorenen Ecken, den ganzen Wahnsinn. Martin Eberle hat sich zu einer ähnlichen Thematik auch bereits mit seinem Band »Temporary Spaces« (Gestalten Verlag) profiliert.
Ergänzt wird »Hi Schatz!« durch Kurztexte von Heinrich Dubel, sogenannten psycholinguistischen Miniaturen des Alltagslebens, die unter dem Begriff »Stimmen hören« subsumiert werden können. Es sind Textfragmente und Mitgehörtes aus dem öffentlichen Raum, das erinnert und aufgeschrieben ein besonderes Hintergrundgeräusch dieser Großstadtabbildung ergibt.